Regelschule Neustadt an der Orla – „Auf dem Weg zu mehr Praxis“

Regelschule Neustadt an der Orla

Kleines Kollegium, ländlicher Raum, kein W-Lan an der Schule, Corona – das könnten ausreichend Gründe sein, um strategische Schulentwicklung mal hinten runterfallen zulassen? Nicht für das Kollegium der Regelschule „Johann Wolfgang von Goethe“ aus Neustadt an der Orla. Ihren Weg zu mehr Praxis- und Projektunterricht beschreiben wir an dieser Stelle fortlaufend.

Teil 1 – Herbst 2021
„Steuergruppe or Not? Wie wollen wir arbeiten?“ Findungsphase & Auftragsklärung

„Könnt ihr bitte kommen und unsere Steuergruppe moderieren?“ – Voll bepackt mit einem Input zum Thema Steuergruppenarbeit machen wir uns auf nach Neustadt an der Orla. Wir freuen uns das Team aus Lehrer:innen und sozialpädagogischen Fachkräften kennenzulernen, denn die Zusammenarbeit mit Erfolg macht Schule soll wieder so richtig starten. Schon bei diesem ersten Treffen kommt ein wichtiger Unterschied zum Tragen: Wollen die Kolleg:innen als Steuergruppe Prozesse lenken, Arbeitsgruppen begleiten und Ergebnisse überprüfen oder wollen sie viel mehr selbst ins Tun kommen? Nach einer angeregten Diskussion über Ziele, Legitimation und Zusammensetzung von Steuergruppen wird deutlich: es braucht dazu noch einmal eine Klärung mit der Schulleitung. Also zurück auf „Null“? Was sich für die motivierten Kolleginnen im ersten Moment vielleicht frustrierend anfühlt, soll keine Woche später für Klarheit und Orientierung sorgen: eine Auftragsklärung mit der Schulleitung. Nun als Arbeitsgruppe „Schulvision“ aufgestellt, werden direkt Themen besprochen und priorisiert. Eine nächste Nachricht an uns enthält konkrete Entwicklungsziele: „Könnt ihr uns zum Thema Praxisklassen/Praxisschule begleiten?“

Steuergruppen sind im Rahmen von Schulentwicklung ein sinnvolles Konstrukt, doch passen sie eben nicht immer zu den vorhandenen Ressourcen. Für die Kolleg:innen aus Neustadt an der Orla war es wichtig eine Struktur zu finden, in der sie arbeitsfähig sind und Dinge voranbringen können. Die AG „Schulvision“ ist dafür genau der richtige Ort.

Teil 2 – Winter 2021
„Machen wir das jetzt wirklich?“ Informationen sammeln, Ziele setzen & Arbeitsaufträge verteilen

Das nächste Treffen mit der AG „Schulvision“ soll also ganz im Lichte von Praxisklassen und Projektunterricht stehen. Dafür laden wir uns zwei Personen aus anderen Schulen ein, wo projektorientiertes Lernen schon ein- und zum Teil viele Jahre erfolgreich durchgeführt wird. Im Vergleich mit den Gästen wird schnell klar: „Sowas haben wir auch schon gemacht, da ist ganz viel da, wir nennen es nur nicht so.“ Der Austausch mit Kolleg:innen aus anderen Schulen führt im besten Fall dazu Impulse und neue Ideen zu entwickeln, aber eben auch zu erkennen, dass an der eigenen Schule schon viele Schätze gehoben wurden. So auch bei den Kolleg:innen aus Neustadt an der Orla. Die Frage, ob das alles genauso klappen kann wie in großen Städten mit einen großen Auswahl an Kooperationspartner:innen, bestimmt nur kurz den Raum. Vor allem die Chance Kräfte zu bündeln und die einzelnen Kolleg:innen zu entlasten, überzeugt. Schon wieder sind wir überrascht von der positiven und zielorientierten Stimmung der AG. Nach kaum zwei Stunden steht fest: In vierzehn Tagen stehen die Stoffverteilungspläne der einzelnen Fachschaften und in vier Wochen erarbeiten wir gemeinsam erste konkrete Umsetzungsideen für fächerübergreifende Projekttage, die bereits im zweiten Halbjahr an den Start gehen sollen. Ein besonderer Fokus soll darauf gelegt werden, die Expertise der sozialpädagogischen Fachkräfte so einzubinden, dass aus dem „on top“-Angebot eine systementlastende Ressource werden kann.

Teil 3 – Winter/Frühjahr 2022
„Wir machen das jetzt wirklich!“ Erarbeitungs- und Umsetzungsphase

Die Stoffverteilungspläne im Gepäck, trifft uns das Kollegium der Regelschule Neustadt an der Orla diesmal im hybriden Format: Wir in Jena, der Rest in Neustadt. Die Lust jetzt endlich ins Tun zu kommen bleibt von diesem experimentellen Format aber unbeschadet. Mit zahlreichen Stoffverteilungsplänen im Raum, machen sich die Kolleg:innen auf, rote Fäden zu finden. Die Aufgabe? Ordnet jedem anderen Fach Themenvorschläge aus eurem eigenen zu. Ergebnis? Drei bunte und vollgepinnte Wände – Thematische Verbindungen zwischen den Fächern springen förmlich ins Gesicht. Da liest man beim Fach Geschichte und Geographie „Kunst im alten Ägypten“ oder „olympisches Sportfest“. „Perspektivisches Zeichnen“ hingegen könnte einen Platz in der Mathematik finden. Zusätzlich gibt Carolin Eulitz von der GMS Galileo aus Jena noch einmal hilfreiche Tipps: Habt eure Ressourcen im Blick und nutzt was schon vorhanden ist. Aber auch von ihren ganz pragmatischen Erfahrungen in der Planung eines Praxistages profitieren die Kolleg:innen.

Wo viel denkbar ist, muss im nächsten Schritt wieder verdichtet und priorisiert werden. Auch hier zeigt sich uns ein eingespieltes Kollegium: Als wir uns eine Woche später wieder zur Dienstberatung treffen, wird der Vorschlag der AG „Schulvision“ mit den Klassenstufen 5, 6 und 7 zu starten, von den Kolleg:innen begrüßt. Für die nächsten Schritte haben wir eine Menge Vorlagen zur Planung eines Praxistages dabei. Hier geht es neben dem konkreten Ablauf und wer, wann, was zu tun hat auch um Fragen wie „Wo können Schüler:innen im Prozess einbezogen werden?“, „Gibt es in der Region externe Kooperationspartner:innen und Sponsor:innen?“, „Welches Budget brauchen wir für den Praxistag?“. Nützlich erweist sich zur Analyse von eigenen Ressourcen, Herausforderungen und dem gewünschten Ergebnis auch ein Tool aus dem Projektmanagement: Project Canvas. Ausgestattet mit diesem Material werden nun Arbeitsgruppen für die einzelnen Praxistage festgelegt und nach einer 30minütigen Arbeitsphase bekommen wir bereits die finalen Themen für Praxistage im Mai, Juni und Juli 2022 präsentiert. An dieser Stelle entlassen wir das Kollegium in die letzte Planungs- und Umsetzungsphase. Wiedersehen werden wir uns zur Auswertung und Reflexion der Praxistage und wünschen dem Team aus Neustadt an der Orla viel Erfolg und vor allem Freude bei diesem neuen Format.